GASTKOMMENTAR VON REINER SCHUHENN | RIEGER ORGELBAU
Vielerorts jammert man über den Fachkräftemangel – nicht so bei Rieger Orgelbau in Schwarzach. Hier starten heuer fünf junge Leute aus Österreich und Deutschland eine Lehre zum Orgelbauer bzw. zur Orgelbauerin. Insgesamt werden somit aktuell 12 Lehrlinge bei Rieger ausgebildet. Reiner Schuhenn, Mitarbeiter der Geschäftsleitung verrät, warum das Schwarzacher Unternehmen bei jungen Auszubildenden so beliebt ist und welchen Stellenwert die Lehre hat.
Bei Rieger Orgelbau haben Sie offensichtlich keine Probleme, Lehrlinge zu finden. Was ist Ihr Erfolgskonzept?
Reiner Schuhenn: Es gibt kein Erfolgsgeheimnis. Ich denke, am wichtigsten ist es, authentisch zu sein und offen und ehrlich nach außen aufzutreten. Hinzu kommt, dass Rieger eine der einzigen Firmen in der Branche ist, die nahezu alles selber herstellt – von der Taste über die Pfeife bis zum Gehäuse. Wir haben sogar eine eigene elektronische Entwicklungsabteilung. Das macht die Lehre für junge Leute sehr attraktiv – bei uns lernen sie alle Bereiche des Orgelbaus kennen.
Was würden Sie anderen Firmen raten, die sich bei der Rekrutierung von Lehrlingen und Fachkräften schwer tun?
Reiner Schuhenn: Es ist wichtig, die Türen zu öffnen und junge Leute in die Unternehmen einzuladen. Wir bieten regelmäßig Schnuppertage an und gehen auf Lehrlingsmessen und Lehrlingstage. Dort schicken wir vorwiegend junge Mitarbeitende oder Lehrlinge hin, die mit den Jugendlichen auf Augenhöhe reden können.
Warum sollten sich junge Menschen für eine Lehre entscheiden?
Reiner Schuhenn: Handwerk ist eine Königsdisziplin und Handwerker zu sein, eine Auszeichnung. Die Lehrlinge lernen mit den Händen zu arbeiten und erleben, wie dadurch etwas Neues wächst und entsteht. Das ist zutiefst befriedigend. Und wenn man das als junger Mensch erleben kann und stolz sein kann, auf das, was man geschafft hat, dann ist das eine gute Lebensgrundlage.
Welchen Rat geben Sie jungen Menschen, die vor der Berufswahl stehen?
Reiner Schuhenn: Sie sollen in sich hineinhören, um herauszufinden, was sie möchten und was zu ihnen passt. Am besten probieren sie im Rahmen von Schnuppertagen verschiedene Berufe aus. Dann ist es wichtig, Zutrauen zu sich zu haben und genügend Geduld.
Welche Karrierechancen eröffnet eine Lehre in der Hofsteigregion?
Reiner Schuhenn: Hier in der Region haben wir eine gute Mischung aus lokaler Bodenständigkeit und Weltläufigkeit, die jungen Menschen viele Möglichkeiten bietet.
Welche Lehrberufe bilden Sie bei Rieger Orgelbau aus?
Reiner Schuhenn: Wir bilden zwei klassische Lehrberufe aus, die beide eine Lehrzeit von dreieinhalb Jahren haben: Orgelbauer:innen und Schreiner:innen. Die Lehrlinge, die jetzt angefangen haben, machen alle eine Lehre im Orgelbau. Der Beruf ist aufgrund seiner Vielseitigkeit sehr attraktiv. Man bekommt einen Einblick in viele verschiedene Gewerke: die Holzverarbeitung und Metallbearbeitung, die Architektur, die Elektrotechnik und Feinmechanik. Der Beruf bietet im Grunde eine Kombination aus künstlerischem Arbeiten und handwerklichem Tun – der künstlerische Aspekt kommt bei der Prospektgestaltung und der Intonation zum Tragen.
Was muss Ihrer Meinung nach ein Lehrling mitbringen?
Reiner Schuhenn: Wir legen vor allem Wert darauf, dass Auszubildende Lust auf den Beruf haben und dass sie für ihre neue Aufgabe brennen. Daneben braucht es Offenheit, Teamfähigkeit und Lernfähigkeit. Gewisse handwerkliche Kenntnisse sollte man mitbringen – entscheidend ist jedoch die persönliche Motivation.
Worauf legen Sie in der Ausbildung Wert?
Reiner Schuhenn: Lehrlinge erlernen bei uns handwerkliche Fertigkeiten, wir möchten sie aber auch musisch berühren. Ein Verständnis für das Instrument Orgel ist ganz essenziell. Alle Lernenden erhalten bei uns wöchentlich Orgelunterricht für die gesamte Dauer ihrer Lehrzeit. So lernen sie nicht nur eine Orgel zu verstehen, sondern auch zum Klingen zu bringen. Sobald eine gewisse Grundkenntnis zum Orgelbau da ist, nehmen wir Lehrlinge auch mit auf Baustellen in der Umgebung. Bei der Montage lernen sie am meisten – vor Ort sind nämlich oft schnelle, kreative Lösungen gefordert.
Welche Unternehmenskultur pflegen Sie bei Rieger Orgelbau?
Reiner Schuhenn: Wir legen sehr viel Wert auf ein gutes Miteinander. Jeder arbeitet und denkt nicht nur für sich allein, sondern wir agieren als große „Rieger-Familie“. Für Auszubildende ist es ein Privileg, von so kompetenten und erfahrenen Handwerkern lernen zu dürfen. Dadurch entwickeln sie Zutrauen zu sich selber und können als Person wachsen und reifen.
Welche beruflichen Chancen bieten sich nach Ende der Lehre?
Reiner Schuhenn: Unser Wunsch ist es natürlich, dass die Lehrlinge anschließend bei uns bleiben. Wir möchten ja angehende Mitarbeiter ausbilden, die unsere Idee vom Orgelbau weitertragen.
Es gibt zwei Gründe für die Ausbildung von Lehrlingen. Zum einen haben wir die unternehmerische Pflicht, die nächste Generation auszubilden. Wir haben die Möglichkeit bekommen, den Beruf zu erlernen und müssen das jetzt weitergeben – ungeachtet von Rentabilität oder Zeitaufwand. Zum anderen brauchen wir neue, kompetente Fachkräfte. Da hilft es nicht zu jammern, sondern man muss sich selbst darum kümmern, indem man eine gute und umfassende Ausbildung anbietet.
Mit einer Lehre ist alles möglich
GASTKOMMENTAR MICHAEL STADLER, MÖBELWERKSTATT LAUTERACH Mit Anfang September sind hunderte Lehrlinge in Vorarlberg in ihr erstes Lehrjahr gestartet. Auch die Hofsteigregion bietet ausgezeichnete...